knut
16.01.2008, 13:45
Weil ich bis jetzt nicht die Zeit dazu gefunden habe, will ich Euch jetzt von einem mbMn interessanten und lehrreichen Schneebrett berichten:
Zuerst die Fakten:
Gebiet: Lenzerheide rund um den Heimberg bei Parpan
Datum: 13.01.2008, ca. 11 Uhr
Lawinenwarnstufe: 3
Details: Neuschneemenge: 15-30cm auf 30-50cm Neuschnee vom Vortag. Vorhergehende, föhnige Erwärmung mit Regen, der in besagten Schneefall überging. Schlechte Bindung an bestehenden Altschnee. Am Vortag stürmischer Südwind, der abflaute und auf Nord drehte.
Genannte Gefahrenexpositionen: Steilhänge aller Exposition oberhalb 1800m
Lawinenbulletin vom 12.01. (http://archiv.slf.ch/data/2008/nb/de/pdf/20080112_nb_de_bw.pdf)
Regionaler Lawinenbulletin mit Karte (http://archiv.slf.ch/data/2008/rbnmgr/de/pdf/20080113_rbnmgr_de_c.pdf)
Hang: Rinne in Hang, Hangneigung 28-33°, am Rinnenrand teilweise vermutlich gegen 40°, Hangexposition WNW, am Rinnenrand bis NNW. Siehe auch angefügte Topo-Karte.
Vom Heimberg-Lift aus sind Lazyboy, ein Kollege und ich weit in den Hang gequert, wobei uns schon hier ein begabter Spurenleser folgte. Ich habe diesen -sehr netten- Herrn, ein Holländer, kurz angesprochen, ob er denn auch die nötige Sicherheitsausrüstung hätte, was er trotz fehlendem Rucksack bejahte. Als ich ihm sagte, dass es heute nicht ganz ungefährlich wäre, hat er nett gelächelt und ist uns weiter hinterher gestapft. Naja, muss er ja wissen.
Der Hang war im Querungsbereich bis zu der Rinne absolut unkritisch, da über weiter Bereiche neben der Spur um 30° steil. An der Rinne angekommen, wussten wir, dass die Rinne, v.a. im oberen Bereich kritisch ist und waren gerade dabei, uns eine Safe-Line auszusuchen, als der Holländer erneut zu uns aufschloss.
Mir war nach Reduktion klar, dass dieser Hang grenzwertig ist (Ich habe mit 12 (andere Hänge an dem Tag 10, wg. Triebschneelage) reduziert, Hang 39°, befahren und kleine Gruppe mit Abständen). Sollte er weniger befahren, als angenommen oder leicht steiler sein, so wär er ganz klar tiefrot. Also Safe-Line.
Man konnte aber gut über einen Buckel (Einstieg ca. 35°, danach 30-32°, keine nennenswerten Bereiche grösserer Steilheit oberhalb) auf den Rücken nördlich der Rinne gelangen.
Als ich gerade dem Follow-Me erklärte, er würde besser im flachen Bereich vor der Rinne abfahren oder umkehren, fuhr lazyboys Kollege in die Rinne ein, es machte "WHHUUUUUHHHMMM", die Schneedecke setzte sich kurz, zu lazyboys und meinen Füssen pflanzte sich den ganzen Grat der Rinne entlang ein Scherbruch fort und deutlich unterhalb von uns (60-70m) ging der Nordrand der Rinne ab. Oberhalb löste sich an einem kleinen Wechten-Rand auch noch ein kleineres Brett (Bild: Anriss1), das aber nicht weit ging.
Der Holländer machte grosse Augen und drehte kommentarlos um. Lazyboys Kollege war über den Rücken bis zu einer Gruppe Bäume gefahren und wartete an diesem Safe-Spot. Lazyboy und ich sind also zu ihm hin und konnten erst da das Ausmass des Bretts sehen. Der Basalbruch hatte sich weit den Rinnenrand fortgepflanzt, wobei interessanterweise immer wieder zwischendurch Teile des Hanges liegen geblieben waren (siehe Anriss 2&3 und Abgang 1&2).
Ausserdem waren drei (!!!) unterschiedliche Schwachschichten betroffen, die Teilweise als Gleitschicht dienten. Der Initialbruch hatte sich in der ersten Schicht fortgepflanzt, das Brett dann aber wohl teilweise die beiden unteren Schichten auch betroffen.
Wir sind dann den Kegel vorsichtig abgefahren und im unteren Teil zu unserem Schrecken auf zwei Spuren getroffen, die aus dem Wald kamen und über einen Rücken liefen, in dem der Scherbruch sich fortgesetzt hatte, der aber liegen geblieben war. Weiter unten verschwanden die Spuren in der Laufbahn des Brettes. Man kann sich die Erleichterung vorstellen, als wir sahen, dass die Spuren unterhalb des Schüttkegels weiter gingen.
Die anderen beiden waren schon weiter gefahren als ich von zwei jungen Locals angehauen wurde, wer denn da ihren Hang kaputt gemacht hätte. Das waren die Spurenleger auf ihrer zweiten Runde. Sie waren irgendwie lieber missgelaunt, als zu begreifen, dass sie vermutlich ziemliches Glück hatten, dass sie in ihrer Spur keinen Hot-Spot getroffen hatten und das es ohne Rucksack und damit ohne Sicherheitsausrüstung nicht grad lustig geworden wäre. Interessante Diskussion.
Warum ich all das hier schreibe: Ich fand vor allem die Tragweite der Fernauslösung -bis zum ersten Anriss, aber vor allem mit Unterbrüchen über Rücken hinweg- sehr beeindruckend und warnend. Sehr beeindruckend war ebenfalls der Auslaufkegel am Ausgang der Rinne, sowie die Fortpflanzung der Basalbrüche und das Vorhandensein von drei Schwachschichten.
Das ganze war für mich sehr lehrreich, da es eindrücklich gezeigt hat, wie schnell es passieren kann und wie weit man denken muss, um alle Risikobereiche mit einzukalkulieren. Ich hätte nie gedacht, das sich das Brett über die Rücken fortpflanzen würde, so dass ich gemeint hab, den Gefahrenbereich ganz gut einsehen zu können. Absolute Fehleinschätzung.
Andererseits hat es mir auch gezeigt, dass unsere Überlegungen zur Routenwahl und Risiko richtig waren.
Erklärungen zu den Bildern:
* zeigt die Bereiche, in denen ein Basalbruch stattfand (in Bild Anriss2.jpg leider verrutscht, sollte oberhalb von "kl. Stauchwall" sein
Die eingezeichneten 30-60cm Anrisskante sind zu hoch geschätzt, an der dicksten Stelle vielleicht 50cm, im Durchschnitt ~20cm (war zu faul, das Bild erneut zu ändern)
Zuerst die Fakten:
Gebiet: Lenzerheide rund um den Heimberg bei Parpan
Datum: 13.01.2008, ca. 11 Uhr
Lawinenwarnstufe: 3
Details: Neuschneemenge: 15-30cm auf 30-50cm Neuschnee vom Vortag. Vorhergehende, föhnige Erwärmung mit Regen, der in besagten Schneefall überging. Schlechte Bindung an bestehenden Altschnee. Am Vortag stürmischer Südwind, der abflaute und auf Nord drehte.
Genannte Gefahrenexpositionen: Steilhänge aller Exposition oberhalb 1800m
Lawinenbulletin vom 12.01. (http://archiv.slf.ch/data/2008/nb/de/pdf/20080112_nb_de_bw.pdf)
Regionaler Lawinenbulletin mit Karte (http://archiv.slf.ch/data/2008/rbnmgr/de/pdf/20080113_rbnmgr_de_c.pdf)
Hang: Rinne in Hang, Hangneigung 28-33°, am Rinnenrand teilweise vermutlich gegen 40°, Hangexposition WNW, am Rinnenrand bis NNW. Siehe auch angefügte Topo-Karte.
Vom Heimberg-Lift aus sind Lazyboy, ein Kollege und ich weit in den Hang gequert, wobei uns schon hier ein begabter Spurenleser folgte. Ich habe diesen -sehr netten- Herrn, ein Holländer, kurz angesprochen, ob er denn auch die nötige Sicherheitsausrüstung hätte, was er trotz fehlendem Rucksack bejahte. Als ich ihm sagte, dass es heute nicht ganz ungefährlich wäre, hat er nett gelächelt und ist uns weiter hinterher gestapft. Naja, muss er ja wissen.
Der Hang war im Querungsbereich bis zu der Rinne absolut unkritisch, da über weiter Bereiche neben der Spur um 30° steil. An der Rinne angekommen, wussten wir, dass die Rinne, v.a. im oberen Bereich kritisch ist und waren gerade dabei, uns eine Safe-Line auszusuchen, als der Holländer erneut zu uns aufschloss.
Mir war nach Reduktion klar, dass dieser Hang grenzwertig ist (Ich habe mit 12 (andere Hänge an dem Tag 10, wg. Triebschneelage) reduziert, Hang 39°, befahren und kleine Gruppe mit Abständen). Sollte er weniger befahren, als angenommen oder leicht steiler sein, so wär er ganz klar tiefrot. Also Safe-Line.
Man konnte aber gut über einen Buckel (Einstieg ca. 35°, danach 30-32°, keine nennenswerten Bereiche grösserer Steilheit oberhalb) auf den Rücken nördlich der Rinne gelangen.
Als ich gerade dem Follow-Me erklärte, er würde besser im flachen Bereich vor der Rinne abfahren oder umkehren, fuhr lazyboys Kollege in die Rinne ein, es machte "WHHUUUUUHHHMMM", die Schneedecke setzte sich kurz, zu lazyboys und meinen Füssen pflanzte sich den ganzen Grat der Rinne entlang ein Scherbruch fort und deutlich unterhalb von uns (60-70m) ging der Nordrand der Rinne ab. Oberhalb löste sich an einem kleinen Wechten-Rand auch noch ein kleineres Brett (Bild: Anriss1), das aber nicht weit ging.
Der Holländer machte grosse Augen und drehte kommentarlos um. Lazyboys Kollege war über den Rücken bis zu einer Gruppe Bäume gefahren und wartete an diesem Safe-Spot. Lazyboy und ich sind also zu ihm hin und konnten erst da das Ausmass des Bretts sehen. Der Basalbruch hatte sich weit den Rinnenrand fortgepflanzt, wobei interessanterweise immer wieder zwischendurch Teile des Hanges liegen geblieben waren (siehe Anriss 2&3 und Abgang 1&2).
Ausserdem waren drei (!!!) unterschiedliche Schwachschichten betroffen, die Teilweise als Gleitschicht dienten. Der Initialbruch hatte sich in der ersten Schicht fortgepflanzt, das Brett dann aber wohl teilweise die beiden unteren Schichten auch betroffen.
Wir sind dann den Kegel vorsichtig abgefahren und im unteren Teil zu unserem Schrecken auf zwei Spuren getroffen, die aus dem Wald kamen und über einen Rücken liefen, in dem der Scherbruch sich fortgesetzt hatte, der aber liegen geblieben war. Weiter unten verschwanden die Spuren in der Laufbahn des Brettes. Man kann sich die Erleichterung vorstellen, als wir sahen, dass die Spuren unterhalb des Schüttkegels weiter gingen.
Die anderen beiden waren schon weiter gefahren als ich von zwei jungen Locals angehauen wurde, wer denn da ihren Hang kaputt gemacht hätte. Das waren die Spurenleger auf ihrer zweiten Runde. Sie waren irgendwie lieber missgelaunt, als zu begreifen, dass sie vermutlich ziemliches Glück hatten, dass sie in ihrer Spur keinen Hot-Spot getroffen hatten und das es ohne Rucksack und damit ohne Sicherheitsausrüstung nicht grad lustig geworden wäre. Interessante Diskussion.
Warum ich all das hier schreibe: Ich fand vor allem die Tragweite der Fernauslösung -bis zum ersten Anriss, aber vor allem mit Unterbrüchen über Rücken hinweg- sehr beeindruckend und warnend. Sehr beeindruckend war ebenfalls der Auslaufkegel am Ausgang der Rinne, sowie die Fortpflanzung der Basalbrüche und das Vorhandensein von drei Schwachschichten.
Das ganze war für mich sehr lehrreich, da es eindrücklich gezeigt hat, wie schnell es passieren kann und wie weit man denken muss, um alle Risikobereiche mit einzukalkulieren. Ich hätte nie gedacht, das sich das Brett über die Rücken fortpflanzen würde, so dass ich gemeint hab, den Gefahrenbereich ganz gut einsehen zu können. Absolute Fehleinschätzung.
Andererseits hat es mir auch gezeigt, dass unsere Überlegungen zur Routenwahl und Risiko richtig waren.
Erklärungen zu den Bildern:
* zeigt die Bereiche, in denen ein Basalbruch stattfand (in Bild Anriss2.jpg leider verrutscht, sollte oberhalb von "kl. Stauchwall" sein
Die eingezeichneten 30-60cm Anrisskante sind zu hoch geschätzt, an der dicksten Stelle vielleicht 50cm, im Durchschnitt ~20cm (war zu faul, das Bild erneut zu ändern)