Ruprecht
13.02.2018, 13:48
auf einfachen wunsch hin gibt's heute einen TR von mir. ist schon etwas länger her. um die mittelmäßigkeit zu wahren und aus distinktionsgründen ohne bilder. #worthlesswithoutpics
zum einstimmen in die geeignete existenziell abgründige stimmung empfehle ich faber:
https://vimeo.com/203089322
Wandern I
Als K. die Bettdecke zurückschlug war es noch tiefe Nacht. Leicht benommen rieb er sich den unruhigen und viel zu kurzen Schlaf aus den Augen und berührte mit seinen nackten Füßen den kalten Boden.
Über die folgenden 20 Minuten half ihm eine Routine hinweg, die er sich für solche Tage zurechtgelegt hatte und in die er sich willenlos ergab. Die meiste Überwindung kostete es ihn, genügend Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen, aber er wusste, dass es ihm das Folgende erleichtern würde.
Wenig später stand er mit gepacktem Rucksack und Tourenskiern in der Hand am vereinbarten Treffpunkt und wartete auf das Auto, das ihn abholen sollte. Die Nacht war ruhig und kalt für die Jahreszeit. Er fror als er ins Auto stieg. Die Fahrt zum Ausgang ihrer Tour verlief schweigsam. Die beiden kannten sich gut, es waren nicht viele Worte notwendig und als sie mit den Skiern am Rucksack aufbrachen warfen sie sich nur einen besorgten Blick zu angesichts des tiefschwarzen Nachthimmels, der schlechtes Wetter ankündigte.
Die erste Stunde liefen sie im Dunkeln über apere Wege und Grashänge aufwärts und gewannen trotz des schweren Rucksacks rasch an Höhe. Zufrieden bemerkte K., wie der vertraute Schmerz in seinem Knie nachließ je weiter sie gingen und je wärmer seine Muskeln und Gelenke wurden. Er wusste, der Schmerz würde wiederkehren, aber jetzt noch nicht.
Als sie das erste Mal Schnee erreichten war das Schwarz des Himmels im Osten einem dunklen Grau gewichen unter dem einige Sonnenstrahlen hervorlugten nur um wenig später wieder zu verschwinden. K. zog seine Handschuhe aus um seine Skier vom Rucksack zu schnallen und einen Schluck aus der Thermoskanne zu nehmen. Seine klammen Hände umklammerten die Schale und als etwas von dem kochend heißen Getränk auf seine Haut geriet konnte er den Schmerz nicht von der brennenden Kälte unterscheiden, die der eiskalte Wind auf seinen Fingern hinterließ.
Es war Tag geworden und die Geborgenheit im Schein der Stirnlampe war dem gnadenlos offenen Blick auf den Gipfel gewichen, der ihr Ziel sein sollte und der sich unerreichbar weit und schroff abweisend vor ihnen aufbaute. Doch begleitet von dem rhythmisch surrenden Geräusch, das die Steigfelle auf der harschigen Schneeoberfläche verursachten, wanderten sie durch das hochgelegene Kar auf die Gipfelflanke zu. Er mochte das Geräusch, denn es hatte etwas leichtes und müheloses in sich, im Gegensatz zum folgenden harten Scharren und Klimpern der Harscheisen in der steilen Gipfelflanke.
Sie waren mittlerweile schon mehrere Stunden unterwegs und weit über 3000m gelangt und K.s Kräfte gingen langsam zur Neige. Immer öfter blieb er stehen um wieder zu Atem zu kommen und seinen Puls zu regulieren. Jedes Abrutschen der Ski auf dem pickelharten Schnee kostete Kraft, die er nicht mehr hatte. Am Grat angekommen warf er sich erschöpft in den Schnee. Die kurze Pause nutzte er, um seine Skier gegen Steigeisen zu tauschen. Die Skier am Rucksack drückten jetzt schwerer auf seinen Schultern als noch am Morgen, doch die direkte Abfahrt vom Gipfel lockte ihn zu sehr, als dass er sie am Skidepot zurückgelassen hätte. Die leichte Kletterei über den Grat war eine willkommene Abwechslung und der einsetzende leichte Schneefall säuselte lustig um seine Nase. Am Gipfel angekommen schmerzte sein Knie, doch K. sorgte sich nicht darum sondern umarmte freudig seinen wartenden Freund.
Krampfhaft hustete er in die kalte und dünne Luft und zwang sich etwas zu essen bevor sie der stärker werdende Schneefall wieder vom Gipfel vertrieb.
Mit einem vertrauensvollen Klicken rasteten seine Schuhe in die Bindung ein. Das schlechte Wetter hatte den Schnee in der Rinne, die vom Gipfel herunterführte nicht aufweichen lassen. Der Schnee war hart, aber griffig und so brachten sie mit vorsichtigen Schwüngen die steile Einfahrt hinter sich. Sein Knie ließ K. auch im darauffolgenden Rinnenabschnitt nicht im Stich und stemmte sich mit jedem Schwung dem Abgrund entgegen. Als sie die Rinne hinter sich gebracht hatten, wich die hochkonzentrierte Wachheit einer übermütigen Euphorie und in weiten, schnellen Schwüngen fuhren sie den Schuttkegel bis ins Kar ab. Erschöpft blickte K. auf ihre Spuren zurück, die der Wind und der Schnee in wenigen Stunden verschwinden lassen würden.
Als sie die letzten Schneebänder im Bachlauf durch die aperen Almwiesen abgefahren waren und das Eis und der Schnee dem fließenden Wasser wichen, schulterten sie ihre Ski und kamen sich angenehm fremd in der frühlingshaften Wiese vor. Müde und zufrieden lachend wichen sie den aufgeweichten Kuhfladen aus und K. vergaß kurz die Leere, die ihn oft beschlich, wenn er wieder ins Tal zurückkehrte. Heute würde er gut schlafen können.
zum einstimmen in die geeignete existenziell abgründige stimmung empfehle ich faber:
https://vimeo.com/203089322
Wandern I
Als K. die Bettdecke zurückschlug war es noch tiefe Nacht. Leicht benommen rieb er sich den unruhigen und viel zu kurzen Schlaf aus den Augen und berührte mit seinen nackten Füßen den kalten Boden.
Über die folgenden 20 Minuten half ihm eine Routine hinweg, die er sich für solche Tage zurechtgelegt hatte und in die er sich willenlos ergab. Die meiste Überwindung kostete es ihn, genügend Nahrung und Flüssigkeit zu sich zu nehmen, aber er wusste, dass es ihm das Folgende erleichtern würde.
Wenig später stand er mit gepacktem Rucksack und Tourenskiern in der Hand am vereinbarten Treffpunkt und wartete auf das Auto, das ihn abholen sollte. Die Nacht war ruhig und kalt für die Jahreszeit. Er fror als er ins Auto stieg. Die Fahrt zum Ausgang ihrer Tour verlief schweigsam. Die beiden kannten sich gut, es waren nicht viele Worte notwendig und als sie mit den Skiern am Rucksack aufbrachen warfen sie sich nur einen besorgten Blick zu angesichts des tiefschwarzen Nachthimmels, der schlechtes Wetter ankündigte.
Die erste Stunde liefen sie im Dunkeln über apere Wege und Grashänge aufwärts und gewannen trotz des schweren Rucksacks rasch an Höhe. Zufrieden bemerkte K., wie der vertraute Schmerz in seinem Knie nachließ je weiter sie gingen und je wärmer seine Muskeln und Gelenke wurden. Er wusste, der Schmerz würde wiederkehren, aber jetzt noch nicht.
Als sie das erste Mal Schnee erreichten war das Schwarz des Himmels im Osten einem dunklen Grau gewichen unter dem einige Sonnenstrahlen hervorlugten nur um wenig später wieder zu verschwinden. K. zog seine Handschuhe aus um seine Skier vom Rucksack zu schnallen und einen Schluck aus der Thermoskanne zu nehmen. Seine klammen Hände umklammerten die Schale und als etwas von dem kochend heißen Getränk auf seine Haut geriet konnte er den Schmerz nicht von der brennenden Kälte unterscheiden, die der eiskalte Wind auf seinen Fingern hinterließ.
Es war Tag geworden und die Geborgenheit im Schein der Stirnlampe war dem gnadenlos offenen Blick auf den Gipfel gewichen, der ihr Ziel sein sollte und der sich unerreichbar weit und schroff abweisend vor ihnen aufbaute. Doch begleitet von dem rhythmisch surrenden Geräusch, das die Steigfelle auf der harschigen Schneeoberfläche verursachten, wanderten sie durch das hochgelegene Kar auf die Gipfelflanke zu. Er mochte das Geräusch, denn es hatte etwas leichtes und müheloses in sich, im Gegensatz zum folgenden harten Scharren und Klimpern der Harscheisen in der steilen Gipfelflanke.
Sie waren mittlerweile schon mehrere Stunden unterwegs und weit über 3000m gelangt und K.s Kräfte gingen langsam zur Neige. Immer öfter blieb er stehen um wieder zu Atem zu kommen und seinen Puls zu regulieren. Jedes Abrutschen der Ski auf dem pickelharten Schnee kostete Kraft, die er nicht mehr hatte. Am Grat angekommen warf er sich erschöpft in den Schnee. Die kurze Pause nutzte er, um seine Skier gegen Steigeisen zu tauschen. Die Skier am Rucksack drückten jetzt schwerer auf seinen Schultern als noch am Morgen, doch die direkte Abfahrt vom Gipfel lockte ihn zu sehr, als dass er sie am Skidepot zurückgelassen hätte. Die leichte Kletterei über den Grat war eine willkommene Abwechslung und der einsetzende leichte Schneefall säuselte lustig um seine Nase. Am Gipfel angekommen schmerzte sein Knie, doch K. sorgte sich nicht darum sondern umarmte freudig seinen wartenden Freund.
Krampfhaft hustete er in die kalte und dünne Luft und zwang sich etwas zu essen bevor sie der stärker werdende Schneefall wieder vom Gipfel vertrieb.
Mit einem vertrauensvollen Klicken rasteten seine Schuhe in die Bindung ein. Das schlechte Wetter hatte den Schnee in der Rinne, die vom Gipfel herunterführte nicht aufweichen lassen. Der Schnee war hart, aber griffig und so brachten sie mit vorsichtigen Schwüngen die steile Einfahrt hinter sich. Sein Knie ließ K. auch im darauffolgenden Rinnenabschnitt nicht im Stich und stemmte sich mit jedem Schwung dem Abgrund entgegen. Als sie die Rinne hinter sich gebracht hatten, wich die hochkonzentrierte Wachheit einer übermütigen Euphorie und in weiten, schnellen Schwüngen fuhren sie den Schuttkegel bis ins Kar ab. Erschöpft blickte K. auf ihre Spuren zurück, die der Wind und der Schnee in wenigen Stunden verschwinden lassen würden.
Als sie die letzten Schneebänder im Bachlauf durch die aperen Almwiesen abgefahren waren und das Eis und der Schnee dem fließenden Wasser wichen, schulterten sie ihre Ski und kamen sich angenehm fremd in der frühlingshaften Wiese vor. Müde und zufrieden lachend wichen sie den aufgeweichten Kuhfladen aus und K. vergaß kurz die Leere, die ihn oft beschlich, wenn er wieder ins Tal zurückkehrte. Heute würde er gut schlafen können.